Hoch

Übersicht

Nürnberg, St. Lorenz

Die Restaurierung der großen Steinmeyer-Orgel aus dem Jahr 1937 in der St. Lorenzkirche zu Nürnberg

_klais/bilder/zz_bis_8_2017/aktuell/NBG-Hauptorgel.jpg

< 1 2 3 4 5 6 7 8 9 >

 

 

Die Hauptorgel

 

Einsichtnahme von Vergleichsinstrumenten

 

Zur Wiederherstellung der klanglichen Konzeption des Klangbildes von 1937 wurden Studienreisen zu Vergleichsinstrumenten vorgenommen insbesondere das Pfeifenwerk intensiv untersucht.

 

Anfertigung einer Dokumentation und eines Restaurierungsberichtes

 

Die gesamte Restaurierung wurde von Anfang an mit Bestandsplänen und Fotos dokumentiert und in einer Beschreibung der durchgeführten Maßnahmen zu einem Bericht zusammengefasst.

 

Fertigung und Aufbau eines neuen Spieltisches

 

Der vorhandene Spieltisch aus den 50er Jahren hatte infolge eines Setzereinbaus grundlegende Veränderungen erfahren. Darüber hinaus war es aus räumlichen Gründen nicht möglich, die vorhandenen Leuchtdruckschalter durch elektromagnetisch bewegte Registerwippen zu ersetzen.

 

In Anlehnung an Steinmeyer-Spieltische aus den 30er Jahren, jedoch unter Verzicht auf freie Kombinationen, wurde ein neuer Spieltisch gebaut, der im Innern mit moderner Technik ausgestattet ist: Die Kontaktgebung erfolgt über kontaktlose Schalter, sogenannten Lichtschrankenkontakte. Die Koppeln werden über eine moderne Koppelanlage angesteuert.

 

Die Betriebsspannung dieses Spieltisches wurde im Hinblick auf den gängigen Standard auf 24 Volt gesetzt.

 

Auf diese Weise wurde es möglich, einen zusätzlichen elektrischen Zentralspieltisch in die Gesamtkonzeption zu integrieren. Beide Spieltische laufen synchron und greifen gleichzeitig auf eine Setzeranlage mit mehr als 5000 Kombinationen zu. Diese Setzeranlage schaltet die Registerwippen. Hinter den Registerwippen befinden sich Magnetsteuerungen. Diese Schaltung macht es möglich, dass der Organist ohne zusätzlichen Anzeigen die über die Setzeranlage eingeschalteten Register ablesen kann.

 

Im Rahmen des Wiederaufbaus der Steinmeyer-Orgel 1950 bis 1952 wurde in wenigen Bereichen auf die ehemals vorhandenen Sub- und Superkoppeln verzichtet.

 

Klangversuche haben uns jedoch gezeigt, wie wichtig diese Koppeln für den Orgelklang im Raum der St. Lorenzkirche sind. Aus diesem Grunde wurden für die Teilwerke Brustwerk, Schwellwerk und Oberwerk Sub- und Superkoppeln vorgesehen.

 

Elektrik

 

Die Reisner-Magnete an den Windladen wurden beibehalten, die gesamte Verkabelung der Orgel jedoch erneuert, weil die bestehende Verkabelung nicht den heutigen Sicherheitsstandards entsprach. Darüber hinaus war infolge der Umbauten 1950 bis 1952 die innere Logik der Kabelführung und die klare Struktur der Sicherungsleisten in Durcheinander geraten. Hier sollte eine grundlegende Neuverkabelung ein störfreies Funktionieren der Anlage auf lange Sicht garantieren können.

 

Das vorhandene System wurde mit 12 Volt betrieben. Durch das Vorschalten von Widerständen vor den einzelnen Magneten konnte die Anlage auf 24 Volt umgestellt werden, ohne die originalen Reisner-Magnete aufgeben zu müssen.

 

Windladen

 

Zwischen 1990 und 1992 sowie in den darauffolgenden Jahren wurden die Witzig'schen Taschen aller Manual- und Pedalwindladen ausgetauscht. Nicht grundsätzlich ausgetauscht wurden jedoch diese Taschen der Zusatzapparate sowie des Prospektes. Ebenfalls nicht ausgetauscht wurden alle Registersteuerbälgchen.

 

Ferner hatten wir festgestellt, dass in die Oberwerkswindlade Wasser eingedrungen war. Der Schaden war aber bereits behoben und die betroffenen Taschen des Oberwerkes erneuert worden.

 

Um eine hohe Zuverlässigkeit der Orgel garantieren zu können, erschien es uns wichtig, sämtliche Taschen, die noch nicht erneuert waren, auszutauschen und grundsätzlich alle Relaisbälgchen zu erneuern bzw. neu zu beledern.

 

Die Reisner-Magnete haben wir – wie bereits erwähnt – beibehalten; sie waren durchgängig in sehr gutem Zustand, so daß sie nur überprüft und vorsichtig gereinigt werden mussten.

 

Windversorgung

 

Die Windversorgung der Orgel erfolgt über große Doppelfalten- und Einfaltenmagazinbälge, die weitgehend neu beledert wurden.

 

Restaurierung des Pfeifenwerks

 

Leitlinie des Restaurierungskonzeptes war die Substanzerhaltung des gewachsenen historischen Zustandes, unter einer Rückführung auf das Klangideal von 1937.

 

Viele der Pfeifen haben schwere Eingriffe und Veränderungen der Intonationsparameter – wie das bereits erwähnte Erniedrigen der Aufschnitte – erdulden müssen. Diese Änderungen wurde soweit wie möglich zurückgeführt. Die vielen, in der Vergangenheit provisorisch angebrachten Reparaturen am Pfeifenwerk wurden durch handwerklich und orgelbautechnisch saubere Maßnahmen ersetzt.

 

Die oftmals sehr tief eingeschnittenen Stimmschlitze wurden auf die originale Höhe zurückgeführt und mit filigranen Lötnähten zugelötet. Hierfür war es notwendig, das gesamte Pfeifenwerk der 8'-Pfeifen und kleineren Pfeifen in unsere Werkstatt nach Bonn zu verbringen und hier sorgfältig zu überarbeiten; 16'- und 32'-Pfeifen wurden allerdings weitgehend vor Ort restauriert.

 

Die Mixturen wurden auf den Zustand von 1937 zurückgeführt, die 1990/92 erneuerten Zungen bzw. Zungenbecher wurden rekonstruiert.

 

Rückführung der Intonation und Wiederherstellung des Klangideals von 1937

 

Die Rückführung der Intonation im Sinne einer Wiederherstellung des Klangideals von 1937 stellte sicherlich den Schwerpunkt unserer Restaurierung dar, wie dies bereits in der Vorstellung unseres Restaurierungskonzepts erläutert wurde

 

Das Instrument musste in seiner Gesamtheit wieder auf ein einheitliches Klangbild hingeführt werden, welches sich am Klangideal von 1937 orientierte.

 

Die Pfeifen haben seit 1937 starke Veränderungen ihrer Intonation erfahren. Wie bereits erwähnt, wurden 1950 bis 1952 wesentliche Intonationsparameter stark verändert und so eine veränderte Klanglichkeit des Instrumentes angestrebt, die es vorsichtig und einfühlsam zurückzuführen galt.

 

Die endgültige Stimmtonhöhe wurde durch das Pfeifenwerk definiert und auf 441,5 Hz bei 18°C festgelegt. Der Winddruck wurde, den Vorgaben des Pfeifenwerks entsprechend, geringfügig erhöht.

 

Sicherungsmaßnahmen an den Stimmgängen

 

Die auf den oberen Ebenen angeordneten Laufböden des Oberwerks und des Pedals erhielten zur Sicherheit Geländer.

 

Alle freiliegenden Laufbodenkanten erhielten darüber hinaus zur besseren Sicherheit umlaufende Begrenzungsleisten, die den Orgelbauer bzw. Organisten das Ende der Stimmgänge ertasten lassen, auch wenn er während der Arbeit nicht hinsehen kann.

 

Zweiter elektrischer Zentral-Spieltisch

 

Es wurde ein zusätzlicher fünfmanualiger Spieltisch nach Steinmeyer'schem Vorbild gefertigt, von dem aus die Hauptorgel auf der Westempore, die Laurentius-Schwalbennestorgel und die Chororgel angesteuert werden können, wo also sämtliche Werke und Register aller drei Orgeln integriert sind.

 

Der Spieltisch wurde einschließlich Pedalklaviatur und Orgelbank auf einem Podest fahrbar eingerichtet. Mittels Steckverbindungen ist die Aufstellung des Zentral-Spieltisches an verschiedenen Stellen im Kirchenschiff möglich.

 

Die Ansteuerung des fahrbaren elektrischen Spieltisches und die Verbindung der Orgeln untereinander erfolgt über Lichtleiterkabel. Der große Vorteil einer solchen Technik ist es, daß die elektrischen Signale über ein Transceiver-Modul durch eine einzige Leitung sehr dünnen Querschnittes gelenkt werden können. Im fahrbaren Spieltisch findet sich ein zweites Gegenstück zum Transceiver-Modul, welches diese Signale wiederum in elektrische Signale umwandelt.

 

Zusätzliches Hochdruckwerk

 

Als Ergänzung der Steinmeyer'schen Hauptorgel und in Anlehnung an die Steinmeyer'sche Konzeption im Dom zu Trondheim/Norwegen wurde die Hauptorgel um ein Hochdruckwerk ergänzt. Dieses Hochdruckwerk fand hinter der Brustwerkwindlade Aufstellung. Die beiden Windladen des Brustwerks wurden dichter an den Principal 4' Prospekt geschoben. Auf diese Weise stand hier unmittelbar unter der Westrosette ausreichend Raum für eine Hochdrucklade zur Verfügung.

 

Der Winddruck des Hochdruckwerks wurde auf 280 mm WS festgelegt. Die Windversorgung erfolgt über ein zusätzliches Hochdruckgebläse mit zusätzlichem Magazinbalg.

 

Während die Tuba magna 16‘ und die Tuba mirabilis 8‘ die dunklen Klangfarben verkörpern, sind Fanfare 8‘ und Klarine 4‘ schmetternd und heller angelegt. Principal 8‘, Stentorgambe 8‘ und die doppelt labierte Konzertflöte 8' decken den labialen Hochdruckbereich ab.

 

Die Mensurierung und Bauweise der Pfeifen wurde in Anlehnung an Steinmeyer'sche Vorbilder (Trondheim, Dom/Norwegen) durchgeführt.

 

Infolge der Aufstellung und Bauweise ("hooded-Bauweise = nach vorne gekröpfte Becher für Zungenstimmen) ist dieses Teilwerk aus dem Kirchenraum heraus optisch nicht wahrnehmbar. Aus denkmalpflegerischer Sicht stellt dieses Zusatzwerk einen reversiblen Eingriff in das Orgelwerk dar, wodurch keine vorhandene Substanz verändert oder aufgegeben werden musste.

 

Zusammenarbeit mit Orgelbaumeister Benedikt Friedrich

 

Herr Orgelbaumeister Benedikt Friedrich aus Oberasbach ist einer der detailliertesten Kenner der Nürnberger St. Lorenzorgel. Er wartete und pflegte das Instrument seit vielen Jahren und war auch an den Arbeiten im Jahre 1990 bis 1992 beteiligt.

 

Aus diesem Grunde haben wir bei der Restaurierung der Orgel mit Herrn Orgelbaumeister Friedrich und seiner Werkstatt kooperiert.

 

 

Weitere Seiten:

Die Laurentiusorgel

Die Stephanusorgel

Fotos

Orgelweihe - Orgelbuch

 

Seiten: < 1 2 3 4 5 6 7 8 9 >